Christoph Danne, Firnis & Revolte, Corvinus Presse
Trotz einiger zu erledigender Pflichten, die länger dauerten als geplant, schaffte ich es am letzten Sonntag endlich (!) noch einmal zu einer Lesung in Köln. Im Rahmen des NRW-Tages sollte „Neue Literatur aus Köln“ vorgestellt werden, darunter auch ein mir schon länger bekannter Autor, Christoph Danne. Der Weg zur Bühne war … anstrengend … durch allerlei Menschen, deren Kinder, deren Hunde, vorbei an Ordnern, die mir nicht sagen konnten, wo die Nordbühne sei. Der Frust legte sich erst, als ich auf einem der Plastikstühle vor der Bühne einen Platz fand und die altbekannte Ruhe einkehrte, die mich einhüllt, wenn jemand vorliest.
Gerade war Natalie Harapat dabei, aus ihrem Band „Übertrieb“ zu lesen. Ihre unbedingte Direktheit gepaart mit scharfem Witz, schnellen Bildern und gleichzeitiger Ernsthaftigkeit in der Beschreibung beeindruckte mich – und dann noch diese Lässigkeit auf der Bühne. Das Buch schlich sich sogleich auf meine Wunschliste.
Und schon leitet André Patten, der Moderator von „Land in Sicht“ über zu Christoph Danne und den Gedichten aus seinem neuen Band „Firnis und Revolte“. Gedichte gehen einfach immer! Sonor ließ ich mich wegträumen an diesem Sommertag, an dem mir schon zu viele Leute fast auf die Füße getreten wären und kam an, wo ich noch nie war: in Katalonien und ließ mir
„erzählen was einst gewesen ist“.
Märchenhaft und erdig zugleich, denn anders als Hilde Domin, deren Fuß sogar in der Luft Halt fand traut Christoph dem Grundlosen etwas weniger, wenn er über im Dunkeln herangezogene Fischerboote schreibt:
„setzen einen fuß aufs deck
zu sehen
ob es uns trägt“
Wunder. Alltag. Handwerk. Schreiben. Christoph Danne holt seine Gedichte planvoll und auf den richtigen Moment hoffend zugleich ein wie der Angler, dem er zusieht. Nur einer von beiden hatte Glück – worauf André Patten später hinweisen wird.
Man folgt Herrn Danne gerne „Ins Offene“
„wo die berge taumeln“ und
„der unberührbare“ einen Hauch Ewigkeit versprüht,
versichert uns der Autor:
„auf dem weg achten wir
aufeinander am erodierten fels
den halt nicht
zu verlieren“.
Ein leichtes Schmunzeln holt die Lesenden dann wieder ins Hier und Jetzt der Banalitäten und Alltäglichkeiten, denn selbst im scheinbaren Paradies
„brutzeln familien aus dinslaken und dortmund
aalen sich jahresurlauber auf bunten tüchern
vierzehn tage hochsommer
in öl und salz“.
Es scheint fast, der Dichter
„arbeitet in der anchovis industrie
fängt sardellen legt sie ein“
und schafft aus ihnen lyrisch
„sauber ausgewogene formationen“.
Nah sind die Texte, nah an der Welt, in der sie entstanden sind, sind wie ein fester Händedruck, warm und ehrlich, und zugleich flüchtig wie ein „wimpernschlag“ – es ist in diesen Zeilen möglich, dass
„ (…) die worte in
ihre gegenstände zurückfinden“.
Man will dir beherzt beipflichten, lieber Christoph, wenn du sagst:
„alles unheil rührt daher
dass man nicht einfach
aufs meer schauen kann“.
Sein Buch habe ich übrigens nach der Lesung von ihm selbst erstehen können, ein sehr rares mitgebrachtes Exemplar, sehr rar. Es gab nur eins. Und das wird mir dann auch noch überlassen von einem anderen Käufer – ein Glücksfang! Ich könnte noch schreiben darüber, wie kunstvoll Gestaltung, Druck und Bindung sind, aber ich möchte das Schlusswort lieber dem Autor selbst überlassen – in der wie ich finde – treffenden Aussage über die Texte:
„zweifel und glück
firnis und revolte
all das ist für euch“.