Book Review, Poetry, Writing

buchbesprechung – aus glut geschnitzt

Dinçer Güçyeter, Aus Glut geschnitzt, Elif Verlag

Dass ich das Glück habe, an dieses Buch zu kommen, hat einen sehr schrecklichen und einen sehr wundervollen Grund. Der schreckliche ist der grauenvolle Krieg, mit dem Putin die Ukraine auf das Entsetzlichste martert. Der wundervolle ist die zutiefst mitfühlende und zupackende Antwort, die Dinçer Güçyeter darauf gab: Spenden durch den Kauf von Schönheit.

Tröstender kann eine Reaktion kaum sein – man kauft Gedichtbände eines unabhängigen Verlags und der Verleger spendet die kompletten Einnahmen an Hilfsprojekte der Ukraine. So kam ich an den Gedichtband Dinçer Güçyeters, „Aus Glut geschnitzt“. Von der glühenden Beschaffenheit seines Herzens konnte ich durch die gelebte Poesie der Nächstenliebe bereits vor der Lektüre eine Idee bekommen.

Und ich komme gleich ins Nachdenken: Glühendes zu schnitzen, dazu bedarf es des Mutes, sich die Hände zu verbrennen, die Distanz des hämmernden Schmieds ist dem Schnitzenden nicht gegeben. Das Material muss erfasst und beherzt wirkend neu geformt werden, Span für Span. 

Schon im ersten Gedicht „ach, Kinder …“ zeigt der Dichter vollen Körpereinsatz im Dienste der Liebe. Ich verstehe gleich, dass diese Lyrik geerdet ist und ganz ohne die ach so beliebte ironische Distanz zu anderen auskommt. Er lädt uns gleich ein in einen zärtlichen Moment kunstverrückter Vaterliebe mit einer gehörigen Portion einer der besten Eigenschaften, die wir gerade in diesen Zeiten so vielen Machthabenden wünschten: sich selbst nicht allzu groß zu machen. 

Das „stachelige Gebet“ in „die Zweige und das Vöglein“ lassen dieselbe Prise Straßenkatze erahnen, die im Lyrikband „Mein Prinz, ich bin das Ghetto“ (dessen Besprechung noch auf meiner To-Do-Liste steht) schon dem fantasievollen Titel entspross. Vielleicht sind es diese beiden Worte, die den Stil seiner Lyrik besonders treffend beschreiben. Demütig, aber nicht devot, anschmiegsam, aber auch widerspenstig, verspielt, aber auch ernst, einfühlend, aber auch in sich gekehrt.

So müht es sich, das Vöglein in den ersten Gedichten, gegen die Bedrohung anzufliegen, weil „die Götter bepissen das Gebet“. „Ein Kind (…) singt vor Angst die Strophe eines Rauschens“. Trost finden im Worte-finden, „das Warten schleift die Seele spitz“ bis die Welt beginnt zu antworten – „der Sturm singt die gleiche Strophe wie das Kind“.

Wie im Thriller möchte man schreien: „lauft Kinder, lauft weg …“ während der Dichter „das fehlende Teil eines Elefanten“, der sich allzu gut zu erinnern scheint, sezierend „im Schmatzen der Neonlichter“ in Augenschein nimmt, die Flügel „unter fernen Füßen“ ermatten lässt und zur Ameise wird, um dann, nach dem Vorspann der Geschichte, geboren zu werden im „Gefecht der Wellen“. 

Die Gedichte, sie wirken wie Traumsequenzen, fast hypnotisch suggerieren drei Punkte den Übergang der noch deutlich flügelreichen Fantasie des Dichters zur Unsrigen. Und so werden wir vom Zuschauer über den Bystander zum Aufgeforderten:

„Traust du dich jetzt

Einen Blick zu werfen

Auf die Anmut der Seerosen …“

Ich denke an Heine, während mir Dinçer erklärt, warum: „seltsam, hier riecht es immer noch nach Sehnsucht“.

Doch gleichsam sind seine Bilder erdreicher, denn „mit brennenden Zehen bürstet er sein Verlorensein“. Eine ganze Biografie (der Mutter) passt in einen Koffer, der im Stakkato die Taktung eines mühevollen Lebens herunterbetet wie alte Frauen in der Eifel den Rosenkranz. Ich komme nicht umhin, mich zu freuen, dass all dies nicht gelöscht werden konnte, dass auf dem Grund das Fließen bleibt, mantrenartig aufgefordert wird: „nimm deine Glut und fließe … fließe ins verblendete Kühle …“

Ich denke an Bastian aus der unendlichen Geschichte, der dem Nichts neue Namen entgegensetzte. 

Um dann – wütend – in der Realität zu landen, denn „die Nächstenliebe trägt Nuttenschminke im Gesicht“. Opfer sehen zu, wie neue Täter „zu Wölfen wachsen“ und „der Rabe stiehlt der Nachtigall die Stimme …“.

Geschätzter Dinçer,

„mehr darf ich dir …

mehr will ich dir nicht sagen!“

nach deinem „Konzert für Kinder und Nächte“,

wenn du fragst:

„ach, wo sind die starken Männer geblieben …“

Genau hier, will ich sagen, denn 

„der Feuervogel der glitzernden Nächte

hat diesen Graben erhellt“.

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