Poetry

dichterliebe

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Siegfried Buck (Hrsg.), Bausteine Deutsch, Diesterweg 1985

Wie verliebt man sich in einen Dichter? Ich habe mein Herz an Heinrich Heine verloren, als ich gerade erst wusste, dass ich eins habe, dass jeder eins hat und dass es aufhören kann zu schlagen. In der vierten Klasse, Dienstag, dritte Stunde Kunst. Ich hatte meinen Farbkasten vergessen. Um mich zu beschäftigen (und wohl auch zu Disziplin zu mahnen), musste ich abschreiben. Während die Anderen mehr oder minder Kunstvolles schafften, sollte ich Heine vom Papier meines Deutschbuches auf meines bringen. Und dies ohne den Tintenkiller zu benutzen. Meine Lehrerin hatte wohl doch den Plan, es solle kunstvoll sein. Oder vielleicht dachte sie auch, es hielte mich auf diese Weise länger auf, würde mich doch jeder Schreibfehler wieder zurück auf Los setzen. Nun gut. Heine also. Altes Kaminstück. Es war Sommer.

Ab der ersten Zeile schon folgte ich ihm, ließ weiße Flocken aufziehen, Stürme mit Harlekinen tanzen und mich von Marmorgöttern grüßen. Wie das Kätzchen wärmte ich mich an ‘des Dichters Feur’. Wer auch immer dachte, mich damit bestraft zu haben, täuschte sich gewaltig. Für diese eine Kunststunde wohnte ich im Zauberschloss. Erst mit dem Klingeln spürte ich den Schmerz des heulenden Kätzchens. Die süße Zerstörung meines Paradieses, vergessene Farbkästen können schmecken wie Äpfel.

PS: Wer erraten hat, dass der Name des Blogs aus diesen Zeilen stammt, ist ein Genie und gehört gewürdigt. Ehre wem Ehre gebührt.

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