Allgemein, Poetry, Writing

fünfviertel

An deinem Traumbild

Zerschellten Millionen

Du

Bautest sie in die Höhe

So laut

Stößt du ihre Namen

Um

Aus deinen Vierteln

Erfindest du dich neu

Schaust niemandem

Auf die Füße

Der Weg hierher ist egal

Gleich deinem zerteilten Wesen

Du singst wie

Eine Säge

Von Funken stählerner Hoffnung

Und verglühenden Sternen

Umherstreifender

Ungeheuerlich

Vergilbt und geweißt

Nie aufgeräumt

Kratztest du stets

An Fassaden

Bunt, glucksend, hupend

Vorbei aus Stein

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Poetry, Writing

16

erschienen in
‘The Transnational Vol. 5’

 

1517047627

 

Aus dem Morast gröhlt es

Pausenlos grell

Licht ins Gesicht

Vereng mir den Blick

Ich will nur das weiß-schwarze Nachbild

Ich will all mein Geld für die Nachwelt

Ich will eine Miniaturwelt

Mit Uff-Tata.

Der Muffti da

Passt nicht ins Bild.

Der Mob wird wild

Links und rechts scharrt der Stier mit den Hufen

Und Frau Europas Hilferufen

Verweigert sich das taube Ohr

Betäubt

Das war kein Lachgas

Ich summe euch die Moorsoldaten.

 

 

A bellow from the swamps

Incessant and bright

Blinded by light

Narrow my sight

I want the mere afterimage, white and black

I want all my money for my heirs, neatly stacked

I want my world to be small and intact

With yee-haw and cheers.

The Muffti right here

Does not play by ear.

The mob’s up for a fight

The bull stomps with his hooves, both left and right

And Lady Europa’s cries of plight

Fall on deaf ears

Stupefied

That was no laughing gas

I hum to you the Peat Bog Soldiers.

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Book Review, Writing

buchbesprechung – vom ende der einsamkeit

Benedict Wells (2016), Vom Ende der Einsamkeit, Diogenes

Meine erste Buchbesprechung auf Deutsch. Daher erkläre ich an dieser Stelle noch einmal meine Struktur. Ich möchte eine völlig subjektive Perspektive einnehmen und folgende Fragen nacheinander beantworten:

1. An welchem Punkt meines Lebens haben das Buch (ja, Bücher sind Entitäten) und ich uns getroffen?

2. Wie habe ich das Buch erfahren?

3. Womit wird mich das Buch zurücklassen?

Zum ersten Mal begegnete mir das Buch auf der Suche nach einem Geburtstagsgeschenk für eine Ausbildungskollegin meines Instituts für Psychotherapie. Sie hatte mich eingeladen und obwohl ich es nicht dorthin schaffte, wollte ich ihr dennoch etwas schenken – ich hatte mich über die Einladung sehr gefreut. An einem Sonntag waren mein Freund und ich zum Hauptbahnhof spaziert, zum einen um an die frische Luft zu kommen, zum anderen um bei Rossmann noch ein paar Dinge einzukaufen. Da es im Bahnhof auch eine Buchhandlung gibt, wollte ich dort nach einem Geschenk suchen. Der Titel sprang mir ins Auge und ich las auf dem Rückdeckel den wunderbaren Satz:

„Eine schwierige Kindheit ist wie ein unsichtbarer Feind: Man weiß nie, wann er zuschlagen wird.“

Für meine Kollegin schien mir dieses Buch wenig geeignet und mich plagten die sich in meinem schlechten Gewissen stapelnden ungelesenen Bücher zuhause, weshalb ich es wieder zurücklegte. Ein Geschenk fand ich nicht.

Am nächsten Tag zog ich erneut los zum Buchladen meines Viertels, dem ich ohnehin noch einen Besuch abstatten wollte. Ich fand dort neben einer schönen Präsentation der Bücher eine sehr freundliche und geduldige Händlerin vor. Man muss wissen, dass ich zur Entscheidungsfindung einen zeitlich nicht unerheblichen Prozess zu durchlaufen pflege, besonders wenn es um Bücher geht. Das Geschenk war schnell gefunden und ich hatte für mich bereits ein kleines Büchlein eines lokalen Dichters gefunden. Da ich jedoch einen Gutschein hatte, war das schlechte Gewissen mit den Wolken des Vortags verzogen und ich stöberte weiter. Maxim Biller – Hundert Zeilen Hass. Klang gut, aber ich wollte irgendwie lieber ein wenig Urlaub von der ohnehin schon trüben Realität unserer Tage. Ich traf erneut auf ‚Vom Ende der Einsamkeit’. Aber da ich mich schon am Vortag dagegen entschieden hatte…und ein Spiegel-Bestseller…naja. Ich entschied mich dafür, mich nicht alleine zu entscheiden und bat die sympathische Händlerin um einen Tipp, hinzufügend, dass ich gerne etwas in ‚schöner Sprache, gerne poetisch’ hätte. Sie griff zielsicher ins obere Regal und zog das zuvor erneut verschmähte Buch von Benedict Wells hervor. „Wir alle haben dieses Buch geliebt! Es ist so schön geschrieben, sehr behutsam und bildreich.“ „Und dass es ein Spiegel-Bestseller ist?“ „Ach, man will den Aufkleber glatt entfernen! Nein, es ist wirklich sehr gut.“ Gekauft.

„Ich kenne den Tod schon lange, doch jetzt kennt der Tod auch mich.“

Gleich im ersten Satz wird klar: Flach wird es nicht auf den nächsten Seiten. Und bildreich ist es. Wie in einem Musikstück tauchen Themen, Orte, Menschen, Lieder oder Bilder immer wieder auf und verweisen auf die Vergangenheit oder Zukunft der Figur Jules. Alle Kapitel sind mit Jahreszahlen und einem Titel versehen, was es einem erleichtert, nicht im Kopf des unruhigen Träumers Jules verloren zu gehen. Alle Figuren werden sehr mitfühlend und lebendig beschrieben. Ihre Geschichten mit all ihren Anstrengungen wird derart behutsam nachgezeichnet, beruhigend plätschernd, und doch vergehen die Seiten wie im Flug. Benedict Wells gelingt es, mich zu packen und gleichzeitig nicht gefangen zu halten. Meine Gedanken dürfen träumerisch wegdriften wie die von Jules. Ob es daran liegt, dass ich ihm ähnlich bin, dass ich so leicht in ihn schlüpfen kann wie in einen Pyjama und mich gleich wohl fühle?

„‚Aber ich schreibe doch gar nicht, Alva, wie oft denn noch. Das ist alles Jahre her.’ ‚Vielleicht schreibst du nicht auf Papier, doch in deinem Kopf tust du es’, sagte sie mit ihrer leisen Stimme und berührte mich am Arm. ‚Das hast du schon immer getan. Du bist Erinnerer und Bewahrer und du weißt es.’“

Die Kraft, die Bilder entfalten, wie sie sich ausbreiten wie Ringe auf der von einem Tropfen gepieksten Wasseroberfläche, ist dem Autor sehr bewusst.

„Alva schrie auf. Sie hatte den Fuchs entdeckt. Durch das Eis konnte man seine erstarrte Schnauze sehen, ein Teil seines Körpers ragte jedoch noch aus dem gefrorenen See heraus, das struppige Fell war von glitzernden Kristallen übersät. Als wäre er mitten in der Bewegung eingefroren. ‚Was für ein schrecklicher Tod!’ Alvas Atem dampfte. ‚Wieso zeigst du mir das?’ (…) ‚Jetzt findest du es furchtbar, aber ich wette mit dir, in zwanzig Jahren erinnerst du dich an den eingefrorenen Fuchs.’ Ich musste lachen. ‚Sogar auf dem Totenbett wirst du noch an den eingefrorenen Fuchs denken.’“

Beziehungen verdichten sich in Momenten, die Benedict Wells aufzieht wie einen Übergang markierende Perlen an einem Rosenkranz. Sie stehen für ein Geheimnis, welches immer wieder in anderer Form auftaucht, Orientierung bietet, dass man sich nicht verliert im immer gleich und immer anders wiederholenden Mantra. Leben und Tod treffen sich im Rosenkranz, wie in diesem Buch. Trauer und Trost, Hoffnung und Angst.

Zurück bleibt: Dieses Buch hat mich bewegt, hat mich gerührt, mich mit meinem Tod reden und mich ein Stückchen weiterkommen lassen. In Jules, Liz, Marty, Alva, Toni, Elena und den anderen konnte ich mich sehen und mich in und mit ihnen entdecken, verwickeln, entwickeln.

„Doch selbst wenn ich diese Geschichte niemals beende, werde ich nicht mehr aufhören zu schreiben. Denn ich habe begriffen: Nur dort kann ich alle gleichzeitig sein. Alle, die möglich waren. Denn der kleine Junge, der sich vor allem fürchtet, das bin ich. Genauso das Kind, das mit dem Fahrrad todesmutig den Hügel hinunterfährt, sich den Arm bricht und trotzdem weitermacht. Ich bin der Außenseiter, der sich (…) zurückzieht und nur noch vor sich hin träumt. (…) Ich bin der Teenager, der sich nicht traut seine Liebe zu gestehen, und in die Einsamkeit abrutscht. Der fröhliche, selbstsichere Student, der sein Leben anpackt. (…) Als junger Mensch hatte ich das Gefühl (…) ein anderes, ein falsches Leben zu führen (…) und erst spät habe ich verstanden (…): Dieses andere Leben, in dem ich nun so deutliche Spuren hinterlassen habe, kann gar nicht mehr falsch sein. Denn es ist meins.“

Ich verneige mich vor dem (echt jungen!) Autor und sage: Vielen Dank, Herr Wells. Und Chapeau.

 

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